Friday, May 03, 2019

Sozialstaat

Aus der NZZ vom 26.4. - gilt auch, oder noch mehr, für Deutschland: Die Debatte ist Ausdruck einer wachsenden Anspruchsmentalität. In der Schweiz gehörte es lange zum guten Ton, dass nicht jeder staatliche Leistungen bezieht, der darauf Anrecht hätte. Die Wirtschaftsprofessorin Monika Bütler sprach von Hemmungen, dank denen das grosszügige Sozialsystem finanzierbar geblieben sei. Der «Anstand» bröckle hierzulande aber ebenfalls, konstatierte sie. Tatsächlich gelten mittlerweile gerade in urbanen Kreisen Annehmlichkeiten wie subventionierte Kinderkrippen, verbilligte Krankenkassenprämien oder Wohnungen, natürlich an angesagter Lage, zusehends als Selbstverständlichkeit – und das auch unter Hochschulabsolventen, zu deren Ausbildung der Staat entscheidend beigetragen hat. Sicher, falsche Anreize und Schwelleneffekte mögen dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Leistung lohnt sich nicht mehr in jedem Fall. Doch die Entwicklung geht grundsätzlich in die falsche Richtung. Statt Schutz vor wesentlichen Risiken wie Altersarmut, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Invalidität zu bieten, wird der Sozialstaat zusehends umfassender definiert. Er soll nicht nur für gute Rahmenbedingungen sorgen, sondern auch individuelle Lebensentwürfe mitfinanzieren.

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